So kommt es, dass Kubaner seit 1993 ungestraft Dollars besitzen dürfen, als Selbständige ein Kleingewerbe anmelden können, dass Joint- Ventures mit ausländischer Beteiligung von bis zu 50 Prozent Anteil am Firmenkapital möglich sind.
Neben Zucker produziert das Land Tabak, Kaffee, Obst und Gemüse. Der exportorientierte Fischfang wächst, Öl und Nickel werden abgebaut, die Biotechnologieforschung und -produktion hat nach Einschätzung von Experten Weltniveau. Was Bildung und Erziehung angeht, ist das Land in jeder Hinsicht ein Vorbild für Lateinamerika: Es hat eine der höchsten Akademikerdichten der Welt, mit einem Arzt auf 164 Einwohner ist Kuba führend (vor Italien mit einem Arzt auf 220 Einwohner).
Jede Investition, die dem Land die chronisch knappen Devisen einbringt, ist hoch willkommen, zum Beispiel im Tourismus. Die Besucherströme auf der 11-Millionen-Insel wachsen zurzeit jährlich zwischen 16 und 20 Prozent. Seit Juli 2000 können deutsche Exportgeschäfte mit Kuba in Höhe bis zu einer Million Mark durch staatliche Hermes- Bürgschaften abgesichert werden - auch eine Einladung an deutsche Unternehmer zu mehr Engagement. Doch die zö:gern - Spanier, Kanadier und Italiener sind da weitaus mutiger. In der Rangliste ausländischer Direktinvestitionen in Kuba steht Deutschland nur auf Platz elf.
Auch im Handel mit Kuba ist der deutsche Anteil bescheiden: Deutschland hat 1998 für gerade einmal 75 Millionen Dollar Waren und Dienstleistungen nach Kuba verkauft und von dort Produkte im Wert von knapp 29 Millionen Dollar bezogen. Das sind gerade einmal 1,6 Prozent des kubanischen Außenhandels. In der deutschen Außenhandelsstatistik ist der Anteil prozentual kaum messbar.
Woran liegt das? "Die Kubaner wollen duschen, ohne nass zu werden" so fasst ein Deutscher Unternehmer aus Hamburg, der in Kuba seit über zehn Jahren Container produziert, seine Erfahrungen auf der Karibikinsel zusammen. Denn einerseits wünscht sich die kubanische Regierung seit dem Ausfall der Lieferungen aus der ehemaligen Sowjetunion dringend mehr deutsche Investoren, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Doch andererseits kann das sozialistische Einparteienregime nicht über seinen ideologischen Schatten springen und mehr private Initiative zulassen, wie sie etwa in der Volksrepublik China ohne ideologische Bauchschmerzen praktiziert wird.
Zwar sind unter den rund 200 Joint Ventures mit ausländischer Beteiligung bislang gerade einmal sechs deutsche zu finden, dennoch ist aber das Interesse deutscher Unternehmer an der Karibikinsel durchaus vorhanden: Im vergangenen Jahr waren rund 90 Unternehmer mit dem damaligen Industriepräsidenten Hans-Olaf Henkel vor Ort. Vertreter der Preussag-Tochter Touristik Union International (TUI) haben sich bereits nach Investitionsmöglichkeiten umgeschaut. Und auch Wirtschaftsminister Werner Müller war mit 30 Unternehmern in Havanna.
Aber: "Woanders kann man schneller Geld verdienen", so fasst einer der deutschen Wirtschaftsvertreter seine Erfahrungen zusammen. Denn gibt es zwar ein Investitionsschutzabkommen mit Kuba, und Joint Ventures sind mit einer Beteiligung von bis zu 50 Prozent sind möglich - doch als Partner stehen grundsätzlich nur staatliche Unternehmen zur Verfügung, und die gelten als nicht sehr effizient.
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Vor dem Fall des Eisernen Vorhangs bestand ein Großteil der kubanischen Wirtschaft aus einem Verteilungsapparat für die Lieferungen des großen sozialistischen Bruderlandes Sowjetunion an die elf Millionen Einwohner der Insel. Nach der politischen Wende in Osteuropa und dem Ende der Lieferungen der ehemaligen Ostblock- Staaten hätte in vielen Branchen eine eigene Produktionswirtschaft aufgebaut werden müssen. Doch Kuba fehlen die finanziellen Mittel. Als Schuldnerland wird Kubas Bonität sehr schlecht beurteilt, was das Land zu sehr kurzfristigen Kreditaufnahmen zu ungünstigen Bedingungen zwingt.
Der Hunger nach Devisen ist deshalb sehr groß, wie der deutsche Botschafter in Kuba, Bernd Wulffen, beschreibt: "Es gibt einige Sektoren, wo Sie nicht investieren können, das ist also der Bereich Verteidigung, Erziehung, Medizin. Das haben die Kubaner sich selbst vorbehalten, aber im Grundsatz sind alle anderen Felder für ausländische Investitionen geöffnet. Wobei die Kubaner mehr an den Export denken und nicht so sehr an den Binnenmarkt. Das hängt mit der Kaufkraft hier zusammen. Die Kaufkraft ist noch relativ gering, und man möchte Investitionen, die Devisen bringen. Die Devisenfrage ist eine ganz entscheidende, denn an Geld fehlt es hier überall."
Wegen des Devisenmangels stehen Tourismusprojekte und der Aufbau einer Industrie für Exportprodukte ganz oben auf der kubanischen Prioritätenliste. Das bringt zwar Devisen ein, erweist sich aber andererseits als zweischneidiges Schwert. Seit 1993 hat die kubanische Regierung den verhassten amerikanischen Dollar als offizielle Zweitwährung zugelassen. Das birgt einigen sozialen Sprengstoff: Wer beispielsweise in der Tourismusindustrie arbeitet und Dollars als Trinkgelder kassiert, hat oft in einigen Tagen ein Mehrfaches von dem zusammen, was Akademiker oder Regierungsbeamte verdienen. Das erweckt Neid, die Bevölkerung wird gespalten in "Dollarkönige" und solche, die seit den 60er Jahren in erster Linie auf Zuteilungen per Lebensmittelkarten angewiesen sind.
Botschafter Wulffen beschreibt die "kubanische Lösung", die Gleichheit wieder herzustellen, so: "Es gibt verschiedene Dinge, die deutsche Unternehmer hier sehr stören. Dazu gehört zum Beispiel, dass der kubanische Staat die Differenz, die zwischen dem Lohn, die man einem Kubaner zahlt, der sehr gering ist, und dem Lohn, den der Ausländer zu zahlen hat, abschöpft. Das sind erhebliche Beträge, die nicht dem Investor zugute kommen, sondern dem Staat."
Mit anderen Worten: wird bei einem Joint Venture ein deutscher Geschäftsführer eingesetzt, der zum Beispiel 3.000 Dollar verdient, so muß sein kubanischer Partner ebenfalls 3.000 Dollar bekommen. Tatsächlich bleibt dem kubanischen Geschäftsführer aber nicht mehr als ein kubanisches Durchschnittsgehalt von 200 Pesos, was rund zehn Dollars entspricht - den Rest kassiert der Staat.
Auch sonst haben die Unternehmer mit großen und kleinen Schwierigkeiten zu kämpfen. Da wartet einer auf die Begleichung von Millionenschulden, was ihm sein Finanzamt in Hamburg inzwischen nicht mehr glauben mag. Da wartet der Direktor eines Touristenhotels auf Kompressoren für die Klimaanlage, von denen er weiß, dass sie seit zwei Jahren beim Zoll unter Verschluss gehalten werden. Die Liste der Beschwerden ist lang.
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